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Archivfunde stören Merz’ makelloses Familiennarrativ

  • Autorenbild: WatchOut News
    WatchOut News
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Seit Jahrzehnten präsentiert Bundeskanzler Friedrich Merz eine wohldosierte Version seiner Familiengeschichte zur NS-Zeit.

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Im Mittelpunkt: sein Großvater, Josef Paul Sauvigny, der nicht nur langjähriger Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen war, sondern – Überraschung! – auch begeistertes Mitglied der NSDAP. Allerdings war sein Engagement laut Archivunterlagen doch deutlich aktiver, als Merz es je zugegeben hätte. Wer hätte das gedacht?

 

Im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen findet sich nämlich eine unscheinbare Akte, die Sauvigny als Parteimitglied ab dem 1. Mai 1937 (Mitgliedsnummer 4258218) ausweist. Noch pikanter: Derselbe Personalbogen verrät, dass er sich schon zwischen Mai 1933 und Februar 1936 – also mitten im Aufbau der Nazidiktatur – beworben hatte. Das widerspricht Merz’ wiederholter Behauptung, der Opa sei quasi „ohne eigenes Zutun“ Nazi geworden.

 

Wie ungeschickt von den Archivaren, das so genau festzuhalten. Damals war der Beitritt zur NSDAP übrigens keine Formsache: Handgeschriebener Antrag, eigenhändige Unterschrift, Nachweis „arischer Abstammung“ – alles Pflicht. Das Archiv bestätigt: Sauvigny unterschrieb höchstpersönlich Was für ein Fauxpas, wenn man später behaupten möchte, alles sei „passiv“ und „wider Willen“ passiert.

 

Aber es kommt noch besser: Die Akten bescheinigen Sauvigny auch noch, in der Sturmabteilung (SA) „eifrig“ und „fanatisch“ aktiv gewesen zu sein – jenem Verein, der schon mal gerne mit Gewalt gegen politische Gegner und demokratische Institutionen vorging. Ein Nazi-Funktionär lobt 1936 ausdrücklich Sauvignys „fanatische Aktivität als SA-Mann von Anfang an“. Man kann gar nicht so viel relativieren, wie hier dokumentiert ist.

 

Als Bürgermeister von Brilon (1917–1937) regierte Sauvigny nicht nur durch die Weimarer Republik und die Machtergreifung Hitlers, sondern ließ auch Straßen nach Hitler und Göring umbenennen – na klar, nur auf ausdrücklichen Wunsch des Zeitgeists. Lokalzeitungen priesen die Verwaltung als „im Geiste des Nationalsozialismus“ geführt. Reiner Zufall, versteht sich. 


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Selbst als die NSDAP Mitte der 1930er neuen Mitgliedern einen Aufnahmestopp verpasste, blieb Sauvignys Antrag in der Pipeline. Ein lokaler Parteichef schwärmte von seiner „nationalen Gesinnung“ und guten Beziehungen zur Partei – da wird die Aufnahme nach Aufhebung des Stopps zur reinen Formsache.

 

Nach dem Krieg dann die große Überraschung: Bei der Entnazifizierung gab sich Sauvigny – wie so viele – als Mitläufer, der irgendwie halt reingerutscht sei. Merz’ spätere öffentliche Aussagen könnten von diesen Entlastungsversuchen abgeschrieben sein, so sehr ähneln sie sich.

 

Erst 2004, als Medien Druck machten, gestand Merz ein, dass Opa wirklich Nazi war – vorher war das natürlich undenkbar. Aber selbst dann bestand er darauf, Sauvigny sei „ohne eigenes Zutun“ zur NSDAP gelangt. Dumm nur, dass die Akten das Gegenteil belegen.

 

In Interviews und Podcasts relativiert Merz weiter: Der Großvater sei „in den Abgrund des Nationalsozialismus gestürzt“, als wäre es ein Betriebsunfall. Die Frage, ob die Nazi-Vergangenheit in der Familie bekannt war, beantwortet er mittlerweile mit „Ja, natürlich“ – ein bemerkenswerter Wandel zur früheren Leugnung.

 

Auch Merz’ eigene politische Karriere ist nicht frei von historischen Reminiszenzen: 2003 forderte er als CDU-Größe die „Stürmung des roten Rathauses“ in Brilon – rein zufällig eine Formulierung, die frappierend an die SA-Methoden von 1933 erinnert. Kritiker meinen, er berufe sich da allzu gerne auf die „Tradition“ seines Großvaters, solange es opportun ist.

 

Die Briloner Bürgermeisterwahl hat Merz seitdem mehrfach verloren – vielleicht, weil der Vergleich mit dem NS-Bürgermeister in der heutigen Zeit nicht ganz so attraktiv wirkt? Lokale Kritiker werfen ihm vor, er verehre selektiv die Autorität seines Großvaters, ohne dessen politische Verantwortung anzuerkennen.

 

Journalisten, die nachbohren, stoßen traditionell auf wenig Gegenliebe. Merz sei „angeekelt“ von solchen Nachfragen, die CDU-Presseabteilung sieht seit 2004 ohnehin „keine neuen Erkenntnisse“ – obwohl neue Archivfunde durchaus existieren. Presseanfragen (etwa von der taz) oder zum 80. Jahrestag des Kriegsendes bleiben unbeantwortet. Transparenz sieht anders aus.

 

Auf die Frage eines AP-Reporters nach dem Großvater reagierte Merz empört: „Unangebrachter Vergleich!“ Kritiker meinen, das zeuge eher von mangelnder Bereitschaft zur Aufarbeitung – ein Problem, das in Zeiten des AfD-Aufstiegs und neuer Debatten um historische Verantwortung durchaus Relevanz hat.

 

Doch trotz all der Belege bezeichnet Merz den Großvater weiterhin als „beeindruckende Persönlichkeit“ und „erfolgreichen Bürgermeister“. Für Historiker und Kritiker bleibt der Fall ein Paradebeispiel dafür, wie im heutigen Deutschland NS-Biografien verklärt, Fakten ignoriert und Familienloyalität über Aufarbeitung gestellt werden.

 

Das Archiv ist hingegen eindeutig: Josef Paul Sauvigny war kein zufälliger Zuschauer, sondern aktiver Profiteur und Vollstrecker des NS-Systems. Ob Deutschlands Kanzler irgendwann genug Ironie findet, sich dem wirklich zu stellen, bleibt abzuwarten.

 
 
 

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