Am Ende des Boxerkriegs lag Peking 1900 in Trümmern. Um die Chinesen zu demütigen, zwang Kaiser Wilhelm II. sie zum Bau eines Denkmals – zu Ehren des ermordeten deutschen Gesandten Clemens von Ketteler.
Am Ende des Boxerkriegs lag Peking 1900 in Trümmern. Um die Chinesen zu demütigen, zwang Kaiser Wilhelm II. sie zum Bau eines Denkmals – zu Ehren des ermordeten deutschen Gesandten Clemens von Ketteler.
Clemens von Ketteler war höchst besorgt. Gerade hatte der deutsche Gesandte in der chinesischen Hauptstadt Peking ein offizielles Ultimatum erhalten. Binnen 24 Stunden hatte Ketteler zusammen mit seinen Botschafterkollegen aus Großbritannien, Frankreich, den USA und anderen europäischen Staaten die Stadt zu verlassen.
Der Anlass war denkbar ernst. Wenige Tage zuvor hatten Truppen dieser Länder ohne Kriegserklärung chinesische Festungen angegriffen und erobert. Am Morgen des 20. Juni 1900 machte sich der deutsche Gesandte deshalb auf, um im chinesischen Außenministerium zu verhandeln. Doch Ketteler sollte sein Ziel niemals erreichen. Auf seinem Weg dorthin wurde er von einem chinesischen Soldaten erschossen.
"Der chinesische Kuchen"
Der deutsche Botschafter in China war ein bei weiten Teilen der Bevölkerung verhasster Mann. Generell betrachteten die Chinesen gen Ende des 19 Jahrhunderts Europäer, Japaner und Amerikaner mit größtem Misstrauen. Seit Jahrzehnten war die einstige Großmacht China ein Spielball dieser Mächte, die ihre militärische Überlegenheit immer wieder ausspielten.
1894 hatte Japan beispielsweise die chinesische Insel Formosa annektiert, die Deutschen nahmen sich drei Jahre später die Kolonie Kiautschou. auf dem Festland. Ihr Ziel war die Ausbeutung des Landes. Der spätere deutsche Generalstabschef Helmuth von Moltke meinte: "Wenn wir ehrlich sein wollen, so ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden."
Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich gegen die Ausbeutung Chinas die Geheimgesellschaft "Yihetuan", zu Deutsch: "In Rechtschaffenheit vereinigte Milizen". Nach dem von ihnen betriebenen Kampfsport nannten die Europäer sie schlichtweg "Boxer". Ihre Botschaft lautete: "Erst wenn die ausländischen Teufel alle getötet sind, wird wieder Einigkeit innerhalb der großen Qing-Dynastie und Friede im Reich herrschen".
Der verhasste deutsche Botschafter
Zum Christentum übergetretene Chinesen und westliche Missionare gehörten zu den ersten Opfern der Erhebung der "Boxer". Bis 1899 sollen allein bis zu 30.000 christliche Chinesen von ihnen umgebracht worden sein. Bald fanden die "Boxer" in weiten Teilen Chinas Anhänger, viele auch in Peking. Dort machte es sich Clemens von Ketteler zu einem sadistischen "Sport", von der Stadtmauer aus "Boxer" zu erschießen.
Als eines Tages ein "Boxer" provozierend das Botschaftsviertel durchquerte vertrieb ihn der deutsche Gesandte – und vergriff sich an dessen Begleiter, quasi noch ein Kind. Mit seinem Spazierstock prügelte er auf den Jungen ein und nahm ihn in Gewahrsam. Als die chinesischen Behörden seine Herausgabe verlangten, hieß es "auf der Flucht erschossen". Ob Kettelers Tod daher am 20. Juni 1900 ein gezielter Anschlag auf ihn war, oder doch nur ein Missverständnis in der aufgeheizten Atmosphäre, ist bis heute nicht geklärt.
Der Zorn des Kaisers
Nach dem Bekanntwerden von Kettelers Tod strömten Ausländer und chinesische Christen in höchster Eile in das Pekinger Botschaftsviertel, um sich dort zu verschanzen. Am Nachmittag begann die Belagerung des Viertels durch "Boxer" und Soldaten, einen Tag später folgte die offizielle Kriegserklärung Chinas – unter anderem an die europäischen Mächte Deutschland, Großbritannien, Frankreich, aber auch gegen die USA und Japan. Ein kaiserliches Dekret unterstrich: "Die Fremden selbst sind es, die diesen Krieg vom Zaune gebrochen haben."
In Deutschland schäumte Kaiser Wilhelm II. vor Wut, als er von der Ermordung Kettelers und der Belagerung der Botschaft erfuhr. Über 20.000 Soldaten setzte der Kaiser in Marsch, um sich an China zu rächen. Als der Kaiser die Truppen am 27. Juli 1900 in Bremerhaven verabschiedete, gab er ihnen die Worte mit auf den Weg: "Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!" Und, schlimmer noch, die Soldaten sollten dafür sorgen, dass "es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!"
Der "Ketteler Bogen"
Wilhelm II. bestand auf zwei für die Chinesen besonders demütigende Friedensbedingungen. Erstens musste ein chinesischer Prinz nach Deutschland reisen und vor dem Kaiser Abbitte leisten. Zweitens hatten die Chinesen auf eigene Kosten ein Denkmal für den erschossenen Clemens von Ketteler zu bauen – am Ort seiner Ermordung.
Am 25. Juni 1901 begannen die Bauarbeiten, der deutsche Kaiser persönlich hatte die Pläne begutachtet. Der "Ketteler Bogen" erreichte eine imposante Höhe von etwa 15 Metern, mit edlem Marmor verziert. Wann immer die Chinesen ihn durchquerten, sollten sie an ihre Niederlage gegen die Deutschen denken.
Nach Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg jedoch wurde das Denkmal abgebrochen und an anderer Stelle neu errichtet. Es trug nun den neuen Namen: "Die Gerechtigkeit siegt".
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